Vermehrung über Samen
Damit man eine Pflanze über Samen vermehren kann, muss diese eine Blüte ausbilden. Sofern die Kulturbedingungen stimmen und sich die Pflanze wohlfühlt, bildet sie im Normalfall auch eine Blüte aus.
Damit es zur Bildung von Samen kommt, muss die Blüte bestäubt werden. In der Natur geschieht dies durch Insekten. Da diese meistens auch zu den Beutetieren zählen, ist die Entfernung der Blüte zu den tödlichen Fallen möglichst gross durch Bildung eines langen Blütenstiels.
In der Kultur wird die Bestäubung auch gerne selbst vorgenommen, indem man die Pollen mit einem Pinsel auf die Narbe überträgt. Da die Blüten der verschiedenen Arten nicht gleich aufgebaut sind, ist es manchmal schwieriger oder einfacher, die Bestäubung selbst durchzuführen. Bei Drosera capensis reicht es beispielsweise meistens aus, mit dem Pinsel vorsichtig in der Blüte „herumzurühren“.
Einige Karnivoren wie z.B. viele Drosera und Pinguicula sind selbstfertil, das bedeutet, sie können erfolgreich mit ihren eigenen Pollen bestäubt werden. Bei anderen braucht man hingegen Pollen von einer zweiten Pflanze, was manchmal schon zu Schwierigkeiten führt, wenn man nur eine einzelne Pflanze hat (dies ist zum Beispiel bei der Venusfliegenfalle der Fall). Die Nepenthes-Gattung hat sogar zwei Geschlechter, es gibt also männliche und weibliche Blüten, die auf verschiedenen Pflanzen entstehen. Dadurch gibt es einen internationalen Austausch von Nepenthespollen, da die wenigsten Sammler eine männliche und eine weibliche Pflanze der gleichen Art in Kultur hat.
Nach erfolgreicher Bestäubung bildet die Pflanze Samen aus. Wenn die Blüten vollständig verblüht und vertrocknet sind, kann der Samen geerntet werden. Dazu schneidet man den Blütenstiel mit einem scharfen Messer ab und schaut vorsichtig nach, ob sich Samen in der trockenen Blüte befinden. Je nach Gattung ist der Samen unterschiedlich gross – es kann sich also um kleine Körner handeln (z.B. bei Sarracenia) oder um sehr feinen Samen, der sich wie Staub sehr schnell verteilt (z.B. bei Drosera).
Da die Samen mit zunehmender Lagerdauer deutlich an Keimfähigkeit verlieren, sollte man diese am besten sofort wieder aussäen. Falls man ihn trotzdem lagern möchte, sollte man sie an einem kühlen, dunklen Ort aufbewahren, zum Beispiel im Kühlschrank.
Um die Samen auszusäen, streut man sie auf feuchtes Substrat (entsprechend der Mutterpflanze, meistens Hochmoortorf) und drückt sie vorsichtig an. Da die meisten Karnivoren Lichtkeimer sind, sollte man den Samen nicht bedecken und den Topf an einen sehr hellen Ort stellen. Das Substrat muss natürlich immer feucht gehalten werden. Ich ziehe über den Topf dann noch eine Frischhaltefolie, um die Luftfeuchtigkeit hoch zu halten. Man sollte dann allerdings aufpassen, dass das Substrat nicht anfängt zu schimmeln, wenn absolut keine Luftbewegung vorhanden ist. Manche Samen keimen übrigens deutlich besser, wenn Sie vor der Aussaat einer Kältebehandlung unterzogen werden (Stratifikation). Im Freiland erledigt das natürlich die Natur.
Wenn die Jungpflanzen dann etwas grösser sind, kann man sie ggf. vereinzeln und umpflanzen.
Die Blüte einer Sarracenia
Das Foto zeigt eine offene Sarracenia-Blüte, bei der zum Teil die Blütenblätter entfernt wurden. In der Mitte erkennt man deutlich die Staubgefäße, in denen der Blütenstaub produziert wird. Damit sich Samen bilden, muss der Pollen auf die Narbe übertragen werden. Die Narbe ist auf dem Foto in Form kleiner „Zipfelchen“ am äußeren Rand der unteren Blütenhälfte zu erkennen. In der Natur geschieht die Befruchtung der Narbe durch Insekten, die beim Verlassen der durch die Blütenblätter relativ unzugänglichen Blüte die Pollen an den Narben abstreifen.
Für die manuelle Bestäubung hebt man vorsichtig ein oder zwei Blütenblätter leicht an. Wenn der frische Pollen sich auf dem Boden der unteren Blütenhälfte ansammelt, kann dieser zum Bestäuben benutzt werden. Dazu nimmt man ihn z.B. mit einem kleinen Pinsel auf und überträgt ihn auf die kleinen Zipfelchen rundherum an der unteren Blütenhälfte.